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1.  Die Sage von Ritter Dietrich von Dern 
 
Dem heiligen Zuge folgend, der die ganze Christenheit durchdrang, war auch Dietrich ein Ritter von Dern, zur Befreiung des hl. Grabes mit einem Kreuzesheer nach dem Gelobten Land gezogen.    Dort fiel er in die Hände der Feinde. Mehrere Jahre weilte er in Gefangenschaft und legte das Gelübde ab, wenn er je wieder seine Burg begrüßen würde, wolle er daheim eine Kirche bauen. Er schlief ein. Ein Engel sprengte die Pforte, trug ihn über Ströme und Meere und legte ihn sanft auf einem Felsen nieder. Der Ritter erwacht; er sieht sich frei. Blau wölbt sich der Frühlingshimmel über ihm, und tief unten schlingt die Lahn ihren Silberfaden durch das Gefilde. Rasch lenkt er seine Schritte nach der Burg, wo ihn die Seinen freudig begrüßen. 
 
Im Taumel des Glückes vergisst er das Gelöbnis, doch mahnend rütteln die Wetter an seiner Burg, krachend fährt grollend der Donner durch seine Wohnung und das drohende Unheil weckt die Erinnerung an jene bangen Stunden der Gefangenschaft. 
 
Er beginnt eine Kirche zu bauen an der Stelle, wo er zuerst seine Heimat begrüßt hat, „Herrenberg“ genannt. Schon streben die Mauern in die Höhe, und weit ins Land schaute der stolze Bau. Da, an einem Morgen, ist er von jener Stelle verschwunden und prang auf dem stolzen Felsen, wo nur ein kleines hölzernes Kirchlein gestanden hat. 
 
                           „Der Ritter hat den Bau dort vollführt, 
                               Dort schloss er den Lebenslauf, 
                           Sein Grab ist mit einem Bildnis geziert. 
                                 Die Fesseln liegen darauf.“ 
 
Soweit die Niederschrift von Daniel Zöllner in einem seiner Werke aus dem vorigen Jahrhundert. 
In dem 1845 in Wiesbaden erschienenen Buch „Nassau in seinen Sagen, Geschichten und Liedern" bringt der Verfasser Henninger nach Schilderung der Gefangenschaft und Befreiung dieses Dietrichs folgenden Vers: 
 
                             „Drin steht ein stattlich Ritterbild, 
                            Gerüst mit Waffen, Wehr und Schild, 
                              und neben hängt an grauer Wand 
                           Gar schwere Fessel für Fuß und Hand.“ 
 
Auch in einem Werke „Burgen und Schlösser an der Lahn“ von V. v. Dungern erscheint diese Sage in ähnlicher Fassung. 
 
Da diese Sage schon viele Dehrner beschäftigt hat, weil nach ihr Dietrich als Erbauer der Kirche in Dietkirchen angesehen wird, soll nachstehend versucht werden klarzustellen, inwieweit ihr Inhalt durch die Forschung eine geschichtliche Bestätigung findet. 
 
Für unsere Betrachtung sind folgende Anhaltspunkte gegeben: 
 
   1.  Ritter Dietrich gehörte zu dem Geschlechte, das auf der Burg Dern saß. Das waren 
       die Freien von Dern. Er nahm an einem Kreuzzug teil, der zur Befreiung des 
       Heiligen Grabes und zur Gründung des Königreichs Jerusalem unternommen 
       wurde. 
   2.  Bei den Kämpfen geriet er in Gefangenschaft, wurde aber nach einem Gelübde auf 
       wunderbare Weise gerettet und begann zum Danke mit dem Bau einer Kirche auf 
       dem „Herrenberg“ im nahen Dietkirchen. Diese stand eines Tages auf dem Felsen, 
       auf dem sich heute die St. Lubentiuskirche erhebt. 
   3.  In dieser Kirche fand er seine Ruhestäte. Von seiner Gefangenschaft künden die 
       bei dem Denkmal in der Kirche hängenden schweren Fesseln. 
 
 
Zu 1) 
Sieben Kreuzzüge wurden unternommen, um Palästina der europäischen Christenheit zurückzugewinnen. Die beiden ersten (1096 – 1099) und (1146-1149) waren bereits in die Geschichte eingegangen, als die Freien von Dern als Untervögte der Grafen von Nassau unter Heinrich Frei von Dern erstmals in das Licht der Geschichte traten. Der 3. Kreuzzug (1189-1192) war eben im Gange. Unter Friedrich I. (Barbarossa) beteiligten sich auch viele Edlen unserer engeren Heimat. So werden uns Namen aus den Häusern Diez, Katzenelnbogen, Wied, Nassau u.a., überliefert. Ein Vertreter des letzten Geschlechtes, Graf Ruppert von Nassau, und Friedrich von Hausen gehörten zu den engsten Mitstreitern Friedrich Barbarossas und zu seinen treuesten Waffengefährten. Beide fanden gleich ihm 1190 den Tod. Guda, die Gemahlin Heinrichs Frei von Dern, soll aus dem Hause der Familie Walter von Hausen und des Minnesängers Friedrich von Hausen stammen, des Letzten dieses Geschlechtes. 
 
Heinrich von Dern, hatte von dem 1190 auf dem Kreuzzug gefallenen Grafen Ruppert von Nassau Pfand-Besitz in Hadamar erworben und vermittelt, nach H. May, im Jahre 1203 den Verkauf der dem Stift Dietkirchen gehörenden Mühle zu Hadamar an das Kloster Eberbach. Zeitlich gesehen hätte ein Vertreter des Dehrner Geschlechtes an dem 3. Kreuzzug beteiligt sein können, doch ist einer namens Dietrich nicht zu ermitteln. 
Außer diesen großen Kreuzzügen fand in den Jahren 1217 - 1219 eine ähnliche Aktion statt, bei der u. a. Kämpfe gegen die Sarazenen in Ägypten ausgetragen wurden. Hierbei spielten Graf Gerhard von Diez und Dieter II. von Katzenelnbogen eine Rolle. Auch wird ein Siegfried III. von Runkel genannt, wie überhaupt die Beteiligung von Edlen und Rittern aus der engeren Heimat auffallend stark war. Aber auch zu dieser Zeit saß Heinrich noch auf der Burg Dehrn. 
Dagegen wird als Teilnehmer an dem 5. Kreuzzug, der von 1228 bis 1229 stattfand, den Kaiser Friedrich ll. durchführte, neben Siegfried III. von Runkel und Edlen aus den Häusern Isenburg, Wied, Sayn, Rüdesheim auch ein Vertreter eines Dehrner Geschlechtes erwähnt. Der Name ist uns leider nicht überliefert. Dass es sich hierbei um einen Dietrich von Dern gehandelt hat, ist mehr als fraglich, denn in den folgenden 500 Jahren der Geschichte des Dehrner Geschlechtes erscheint dieser Name bei keinem Vertreter in der Hauptgenealogie. Wäre doch ein Ereignis, wie der erwähnte Kirchbau, Anlass genug gewesen, diesen Vornamen auch Nachkommen zu geben, wie das z.B. bei dem Vornamen Friedrich in diesem Geschlechte weitgehend der Fall war. Aber auch noch andere Gründe sprechen dagegen. So war z. B. der Bau der jetzigen Kirche um 1100 bereits im Gange. Ihre Fertigstellung wird in die Zeit um 1225 verlegt. Die Gründung des Königreichs Jerusalem erfolgte aber bereits auf dem l. Kreuzzug. 
 
Zu 2) 
Als “Herrenberg“ bezeichnet man den Platz vor der jetzigen St. Lubentiuskirche. Hier soll mit dem Bau der durch ein Gelübde versprochenen Kirche begonnen worden sein. Nach Cordon hat auf diesem ersten Bauplatz einmal eine Kirche gestanden, die ihrer Bauart nach in die karolingische Zeit einzuordnen war. Diese dem hl. Stephanus geweihte Kapelle wurde im Jahre 1818 niedergelegt, um einer Schule Platz zu machen. 
 
Durch die vorhandene große Stifts- bzw. Lubentiuskirche war sie entbehrlich geworden. Über Entstehung und Alter dieser Kirche ist im Laufe der Zeit viel diskutiert worden. Es gibt Stimmen, wonach an Stelle einer kleinen Holzkirche zu Bonifatius' Zeiten (672 - 754) die erste Steinkirche erbaut worden sei. Um das Jahr 800 sei aus dem damaligen einschiffigen Bau eine dreischiffige Basilika entstanden, die um 1150 bzw. 1225 die jetzige Form zeigte. Leider sind keine Urkunden vorhanden, die das Dunkel über Stift und Kirche lichten könnten. Zweifellos haben solche einmal im Archiv des ehemaligen Chorherrnstiftes gelegen. Bei späterem Nachforschen teilte das Stift dem Kurfürsten von Trier auf seine Anfrage im Jahre 1581 mit, dass durch die widrigen Verhältnisse oder den Leichtsinn des Archivars es dazu gekommen sei, dass nichts Geschriebenes über den Bau und die weitere Entwicklung vorhanden sei. Nach der alten Lubentiuslegende scheine es, dass der erste Erbauer der Kirche jemand aus Dehrn gewesen sei mit Namen Dietger". Aus wenigen Angaben ergebe sich die frühe Zeit ihrer Errichtung und der Name ihres Erbauers ziemlich klar, dass ihr Bau vor der gesegneten Übertragung des hl. Lubentius begonnen wurde und an dem erwähnten Dietger als wirklichem, unzweifelhaftem Gründer solange festzuhalten sei, bis ein zuverlässigerer Beweis erbracht wäre. Bei einer nochmaligen Rückfrage im Jahre 1694 berichtete man aus Dietkirchen an den Kurfürsten von Trier, dass "Erbauer der Kirche gewesen Ditgerus, Freye von Dehren, dahero der ohrtt Dietgerskirch oder vulgo Dietkirchen genennt wird." 
 
Hier wird also die Erbauung einem Dietger statt einem Dietrich zugeschrieben. An einer Stelle seiner Geschichte schreibt Corden „Sollte dem Verfasser der Lebensbeschreibung des hl. Lubentius Glauben beizumessen sein, so verdankt die Kirche ihre Errichtung einem Dietger, der als reicher Herdenbesitzer in Dehrn angegeben wird. Die Stiftsherren zur Zeit Cordens bezeichnen diesen Dietger als den Ahnherrn des alten Dehrner Adelsgeschlechtes. 
 
Geschichtsschreiber Mechtel (geb.1562) vertritt in seiner Geschichte des Erzstifts Trier die Auffassung, die Kirche sei von einem reichen Herrn Theoderich oder Dietger aus dem Dorfe Dehrn erbaut worden und habe dem Ort den Namen Dietkirchen gegeben. Ein lateinischer Tropus eines Stiftsherrn wird als im 10. Jahrhundert entstanden erwähnt. 
In deutscher Übersetzung heißt es einleitend dort: „Glückselig dieses Gotteshaus, das auf steiler Felsenhöhe einst Herr Dietger hat erbaut". Nach anderen Angaben soll dieser Tropus erst aus dem 11.oder 12. Jahrhundert stammen. 
 
Besonders interessant ist eine neue Auslassung eines Erlanger Universitätsprofessors. Er erwähnt, dass die Ausgrabungen deutlich eine salierzeitliche und eine karolingische, in Spuren noch ältere, also merowingische Kirche, erkennen ließen. Das Patrozinium der karolingischen Kirche sei wohl schon das heutige, denn unter Erzbischof Hetti von Trier (816 - 847) kurz vor 841, seien die Reliquien des hl. Lubentius, der in Kobern gewirkt habe, nach Dietkirchen übertragen worden. Die Erwägungen, dass es sich um eine Eigenkirche eines edlen Herrn Dietger im 7. oder 8.Jahrhundert handeln könnte, seien nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. 
 
Neuerdings hat ein anderer bekannter Geschichtsforscher diese Frage auf gegriffen. Er erwähnt, der Verfasser der Vita des hl. Lubentius im 11. Jahrhundert habe geschrieben, dass Dietkirchen nach seinem Gründer Dietger aus Dehrn bekannt worden sei. 
Da man den Namen Dietkirchen als Volkskirche auslegte, habe man diese Lubentiuslegende bisher vernachlässigt. Es sei doch recht sonderbar, dass der als Schreiber in Frage kommende Stiftsherr, der seiner Bildung nach das althochdeutsch "thiot" und das mittelhochdeutsche "diet" gekannt habe, trotzdem diese Erklärung von jenem Dietger gegeben hätte, den man nur noch gerüchtweise kannte. Im übrigen sei der Ortsname Dietkirchen erst Ende des 11. Jahrhunderts zuerst in originaler Überlieferung zu fassen. 
 
In Dehrn gab es in früheren Jahrhunderten eine ganze Anzahl von Adelsgeschlechtern. Zehn davon sind dem Schreiber aus seinen Forschungen bekannt geworden. Das Geschlecht, das am längsten in Dehrn ansässig war und seinen Sitz auf der alten Landesburg Diez hatte, bezeichnete sich als die „Freyen (Freien) von Dern". 
Viele Geschichtsforscher schreiben dem einen oder anderen Geschlechte Taten zu, die es selbst gar nicht betreffen. So erscheint z. B.  ein Ritter Peter von Dern in einer Geschichte der Freien von Dern, während er mit diesem Geschlechte gar nichts zu tun hat. Er war der Stifter des Zisterzienserinnenklosters Gnadentahl (Vallis gratiae). Auch schenkte er 1260 gemeinsam mit Gottfried von Eppenstein und Gottfried von Biegen (Bicken) die Pfarrkirche von Dauborn an dieses Kloster, dem sie der Erzbiscbof von Trier 1261 gänzlich inkorporierte. 
Es ist oft zu beobachten, dass bedeutende Taten Vertretern des eigenen Geschlechtes zugeschrieben werden. So Sprachen auch die Freyen von Dern "Dietger" später in kühner Fiktion als ihren Ahnen an. 
Während mir aus diesem Geschlechte nicht ein einziger Vertreter mit dem Vornamen Dietger, Dietrich oder Theoderich begegnet ist, weist ein anderes altes Adelsgeschlecht von Dehrn, als Zweig der von Dorndorf, die schon einen Teil der Vogtei des früheren Lorscher Besitzes in ihrer Hand hatten, viele Vertreter mit dem Vornamen Dietrich auf. Auch der Name Theoderich ist dort vertreten. Zu den Nachkommen dieses Geschlechtes gehörte auch Ritter Peter. 
 
Zu 3) 
Nach der Sage werden die bei dem Grabdenkmal in der Kirche zu Dietkirchen hängenden Fesseln Dietrich, dem Erbauer der Kirche zugeschrieben. Bei diesem Denkmal in der St. Lubentiuskirche handelt es sich aber um das Grabmal eines Philipp Frey von Dern, der 1550 starb und hier seine letzte Ruhestätte fand. Dieser Philipp war mit einer Anna von Eltz verheiratet. Als Untervögte der Grafen von Nassau in der alten Vogtei Dietkirchen hatten die Freien von Dern ihr Erbbegräbnis in der Kirche Dietkirchen. Karl V. von Habsburg (1519 bis 1556) hatte ein Kreuzzugsähnliches Unternehmen nach Tunis durchgeführt. Daran hatte auch Philipp von Dern teilgenommen und war dabei in Gefangenschaft geraten. Die bei dem Denkmal hängenden Fesseln werden damit in Zusammenhang gebracht.